Ein Wiegeschritt in die richtige Richtung bei einem Tanz mit den Krankenkassen- so könnte man das Konzept des Referentenentwurfs für ein neues Präventionsgesetz beschreiben. Die Ärzteschaft bekommt einen Korb, das Volk bezahlt die Kapelle.
Die Bundesärztekammer mahnt in Ihrer Stellungnahme an, was ihr nicht erfüllt erscheint: „ eine wirksame Umsetzung (der Prävention) kann nur gelingen, wenn sie auch in bestehende (medizinische) Leistungsbereiche integriert oder zumindest an diese gekoppelt ist.“
Tatsächlich spielt der Arzt in der Umsetzung von Prävention in diesem Entwurf keine Rolle. Er betritt nicht einmal das Parkett. Der Schein, den er seinen Patienten als „Präventionsempfehlung” gratis in die Hand drücken soll, möglichst nach einer ausgiebigen körperlichen Untersuchung, die im Übrigen kostenlos erfolgen soll, und einer motivierenden Beratung (ebenfalls zum Nulltarif) des Patienten, ist weitestgehend unverbindlich, denn die Krankenkasse selbst, am ehesten ein Sachbearbeiter, entscheidet über alle weitergehenden Maßnahmen. Zum Schein ein Schein. Die Zertifizierung dieser weitergehenden Maßnahmen obliegt ebenfalls den Krankenkassen.
Das Strickmuster gilt auch für das Versorgungsstärkungsgesetz und dessen Innovationsfond, der hälftig durch den Gesundheitsfond und die KK finanziert wird: wer das Geld gibt, darf auch bestimmen. Nach Ansicht des BMG sind das die Krankenkassen.
Wir freuen uns aber auch über manchen guten und ambitionierten Kern des Gesetzes, wie z.B. der salutogenetische Ansatz als Grundlage medizinischer Prävention. Angestrebt wird dabei ein ausbalanciertes Kohärenzgefühl, eine sinnstiftende Lebensweise. Aber soll über Alles jetzt der Sachbearbeiter der zuständigen Krankenkasse den Menschen beraten?
Dabei hat die ÄGGP ein psychosomatisches Familienpräventionskonzept entwickelt und in der Zeitschrift „Ärztliche Psychotherapie (ÄP)” 2012 dieses vielbeachtete Konzept dargelegt.
Erste konkrete Erfahrungen einer auf salutogenetischer Basis beruhenden Prävention in einer psychosomatischen Berliner Praxis werden in der neuesten Ausgabe der ÄP beschrieben. Sie könnten Erfahrungsgrundlage werden für gemeindenahe Versorgungsstrukturen und die Etablierung und den Ausbau von Präventiv- und Früherkennungszentren nicht nur für psychische Erkrankungen. Sie können ein niederschwelliges und vorwiegend ambulant konzipiertes Angebot darstellen, um Betroffene in Frühstadien einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung zu untersuchen, zu beraten und evidenzbasierte Interventionen zur Risikoreduktion und Frühbehandlung zur Verfügung zu stellen. Hier decken sich die Forderungen des Bundesverbandes für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie ( BDPM), der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde ( DGPPN) und der ÄGGP.
Schade eigentlich, dass man den Eindruck gewinnen muss, das Bundesministerium für Gesundheit ist der Überzeugung Prävention gehe ohne Ärzte. Vielleicht versucht es Gleiches bald mit der Medizin. Der drohende Verlust von 25000 Praxen durch den Aufkauf von Praxen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen, die wachsende Zahl von Ärzten und Ärztinnen, die ihren Beruf nicht ausüben (mittlerweile jeder bzw. jede Vierte) , könnten ja schon Anzeichen sein.